Blende f2.0
Fotografie

Wie bekommt man einen unscharfen Hintergrund auf Fotos?

Kai

Ein unscharfer oder verschwommener Hintergrund ist für viele Menschen DAS Qualitätsmerkmal eines guten Fotos. Oft verbunden mit dem Eindruck, dass dafür eine besonders gute Kamera benutzt wurde. Insbesondere bei Portraits. Kein Wunder also, dass viele Smartphone-Hersteller inzwischen mit viel Software und mehreren Kameras und Sensoren pro Gerät arbeiten um diesen Effekt zu simulieren.

Solange das aber noch sehr künstlich aussieht, bleibt nur der klassische Weg, den ich euch heute vorstellen möchte. Dafür ist auch gar nicht viel oder teures Equipment notwendig, wenn man weiß, wie man mit seiner Kamera umgehen muss.

Wann ein unscharfer Hintergrund sinnvoll ist

Zuerst müssen wir aber die Frage klären, wann ein unscharfer Hintergrund sinnvoll und erwünscht ist, und wann nicht. Der wichtigste Grund ist der Fokus. Damit ist hier der inhaltliche Fokus auf das Motiv gemeint. Das wird besonders bei Portraits deutlich. Dort sind im Normalfall die Augen des Models der wichtigste Bildinhalt und sollten deshalb scharf sein. Wenn das Foto nicht vor einer einfarbigen Wand, sondern im Freien aufgenommen wird, kann ein unruhiger Hintergrund aber schnell vom eigentlichen Motiv ablenken. Ein verschwommener Hintergrund hilft also dem Betrachter sich auf das richtige Motiv – das Model – zu konzentrieren. In der Fotografie nennt man dieses kompositorische Stilmittel die Trennung von Motiv, Vorder- und Hintergrund (engl. background separation).

Wenn ihr euch mal aufmerksam umschaut, werde ihr merken, dass das menschliche Auge ganz ähnlich arbeitet. Beim Lesen eines Buchs zum Beispiel ist der Hintergrund hinter dem Buch auch unscharf, weil das Auge nur in der Mitte (beim aktuell gelesenen Wort) scharf sieht und fokussiert. Deshalb wirkt ein unscharfer Hintergrund sehr natürlich.

Frau im Abendlicht auf einem Feld – Gegen die Sonne fotografieren
Bei diesem Portrait sind die Augen und das Gesicht der wichtigste Bildinhalt und deshalb im Fokus.

Vier Wege zum unscharfen Hintergrund

Um nun einen unscharfen Hintergrund im Bild herzustellen, gibt es vier Faktoren die man beim Fotografieren oder durch die Wahl von Kamera und Objektiv beeinflussen kann:

  1. Blende
  2. Abstand zum Motiv
  3. Brennweite
  4. Sensorgröße

1. Blende öffnen

Der wichtigste Faktor für einen unscharfen Hintergrund ist die Blende. Wenn du mehr darüber erfahren willst, kannst du meinen Artikel über die Blende lesen. Hier die Kurzfassung: Je weiter die Blende geöffnet ist, das heißt je niedriger die Blendenzahl (z.b f3,5 statt f16), desto leichter fällt es einen unscharfen Hintergrund zu erhalten. Die Schärfentiefe bzw. die Tiefenschärfe, das ist der Fachbegriff dafür, ist dann geringer als bei einer höheren Blendenzahl.

Blende f16
Bei Blende f16 ist der Hintergrund leicht unscharf, aber noch zu erkennen.
(Sigma 50mm Art, ca 1m Abstand)
Blende f2.0
Bei Blende f2.0 ist der Hintergrund nicht mehr zu erkennen.

Besonders gut klappt das bei Kameras mit Festbrennweiten, weil diese meist deutlich lichtstärker(=größere Blendenöffnung/kleinere Blendenzahl) und gleichzeitig oft günstiger sind, als Zoom-Objektive. Eine beliebtes Objektiv mit Festbrennweite ist ein 50mm F1.8, das es wohl von jedem Objektiv-Hersteller relativ günstig* gibt. Damit kann man die Blende auf F1.8 öffnen, was den Hintergrund sehr stark verschwimmen lässt.

Wenn du mit einer Smartphone-Kamera fotografierst, ist es meist nicht möglich die Blende zu verstellen. Schau dir aber mal die nächsten beiden Punkte an, die kannst du auch mit dem Smartphone leicht umsetzen.

2. Abstand zum Motiv verkleinern und zum Hintergrund vergrößern

Je näher du dem Motiv bist und je weiter das Motiv vom Hintergrund entfernt ist, desto unschärfer ist der Hintergrund. Das ist in der Natur natürlich leichter als in geschlossenen Räumen. Bei dem Portrait im Sonnenuntergang oben war ich ca zwei Meter vom Model entfernt. Zwischen Tine und den Häusern und Bäumen im Hintergrund lagen aber ein paar hundert Meter.

Sowohl die gewählte Blende als auch der Abstand zum Motiv beeinflussen die sogenannte Schärfentiefe. Um die ein wenig zu verdeutlichen, habe ich ein paar Grafiken gebastelt.

Zuerst gucken wir uns die Schärfentiefe bei 1 Meter Abstand zum Subjekt an. Gerechnet habe ich mit einem 50mm-Objektiv an einer Vollformatkamera.

Bei Blende F1.4 beträgt die Schärfentiefe gerade einmal 3cm. Hier tragen also sowohl die weit geöffnete Blende, als auch der geringe Abstand zum verschwommenen Hintergrund bei. Bei dieser Kamera-Einstellung sind also Nasenspitze und Ohren schon nicht mehr scharf, wenn man auf die Augen fokussiert.

Bei Blende F16 und weiterhin 1 Meter Abstand beträgt die Schärfentiefe 38cm. Damit wäre ein Kopf fast komplett scharf, wenn man auf das Auge fokussiert.

Interessant wird es, wenn man den Abstand zwischen Kamera und Subjekt auf 5 Meter vergrößert. Dort beträgt die Schärfentiefe/Tiefenschärfe, bei Blende F1.4 bereits 85cm.

Bei Blende F16 liegt die Schärfentiefe dann schon bei 98,2 Metern. Wenn man auf das Auge fokussiert wäre also ein Baum knapp 49 Meter hinter dem Subjekt noch scharf im Bild zu sehen. Wie ich auf die knapp 49 Meter komme? Das ist die Hälfte der 98,2 Meter Schärfentiefe. Genau also 49,1 Meter. Die andere Hälfte liegt vor dem Fokuspunkt, also zum größten Teil hinter der Kamera.

Diesen Effekt der größeren Schärfentiefe bei größerem Abstand kann man natürlich auch ganz bewusst nutzen, besonders in der Landschaftsfotografie. Wenn Ihr also bei einem Landschaftsfoto möglichst viel im Bild scharf erkennen wollt, schließt Eure Blende (etwas) und fokussiert auf einen weiter entfernten Punkt.

Bei diesem Landschaftsfoto mit Blende f16 ist das meiste im Bild scharf, weil ich auf einen Punkt in einiger Entfernung fokussiert habe.
Bei diesem Landschaftsfoto mit Blende f16 ist das meiste im Bild scharf, weil ich auf einen Punkt in einiger Entfernung fokussiert habe.

Da es noch einige weitere Einflüsse auf die Schärfe gibt, z.B. die unterschiedlich hohe Auflösung des Objektivs bei verschiedenen Blenden oder die Beugungsunschärfe geschlossener Blenden, ist meine pi-mal-Daumen-Empfehlung bei Landschaftsfotos ca Blende f8–11 und ein Fokuspunkt in ca 20–30 Metern Entfernung. Lieber einen Tick weiter entfernt, als zu nah. Wer sich noch näher damit beschäftigen will, kann sich diesen Artikel zur Hyperfokaldistanz durchlesen.

Das Ziel dieses Artikel ist aber ja genau das Gegenteil, ein möglichst unscharfer Hintergrund. Dafür brauchen wir dann dementsprechend gegenteilige Einstellungen: Eine möglichst offene Blende und möglichst wenig Abstand zum Subjekt.

3. Brennweite verlängern

Eine weitere Möglichkeit für mehr Unschärfe im Hintergrund ist eine längere Brennweite. Je länger die Brennweite, desto geringer die Schärfentiefe und damit desto unschärfer der Hintergrund. Bei gleichem Abstand, versteht sich.

Hier habe ich Euch ein Beispiel mitgebracht. Bei 24mm Brennweite sind trotz Blende F2.0 die meisten Teile im Bild in der Fokusebene.

Fotografiert mit dem Sigma 24mm Art bei f2.0.

Kurze Zeit später habe ich aus gleicher Entfernung, nur vom Mischpult, statt von der Empore noch einmal fotografiert. Diesmal aber mit 200mm Brennweite. Hier ist nicht mehr die ganze Bühne im Schärfentiefebereich, sondern nur noch die Sängerin, auf die ich fokussiert habe. Der Bassist ist schon außerhalb des Schärfebereichs.

Hier habe ich das Canon 70–200mm bei Blende F2.8 benutzt.

4. Sensor vergrößern

Die letzte und teuerste Möglichkeit einen unscharfen Hintergrund zu bekommen ist eine Kamera mit größerem Sensor zu benutzen. Eine Vollformat-Kamera hat bei gleichem Bildwinkel und Blende weniger Schärfentiefe z.B. eine mit APSC-Sensor oder ein Smartphone.

Die geringe Schärfentiefe einer Mittelformat-Kamera, deren Sensor knapp doppelt so groß ist wie der einer Vollformat-Kamera, hat einen ganz besonderen Look, den man auf dem folgenden Bild erkennen kann. Obwohl ich ein Weitwinkel-Objektiv benutzt habe, das an einer Vollformat-Kamera etwa 35mm entspricht, und die Blende wegen der Sonne schließen etwas musste, nimmt die Schärfe hinter Matthias, dem Motiv, schnell ab.

Fotografiert mit dem Sektor 45mm an der Mamiya 645

Zusammenfassung

Die gute Nachricht dieses Artikels: Zwei der vier Schritte, die ich beschrieben habe kosten nichts, wenn du bereits eine Kamera mit dem Kit-Objektiv hast. Du kannst einfach mit der Kamera näher an dein Subjekt herangehen und die längste Brennweite nehmen, die Du hast. Wenn du mehr Unschärfe im Hintergrund möchtest, wäre eine lichtstarke Festbrennweite eine gute Investition. Und falls dir das auch nicht reicht, bleibt nur der Weg ins Vollformat oder sogar ins Mittelformat. Das wird allerdings deutlich teurer. Ich habe dir hier mal ein paar Festbrennweiten für verschiedene Hersteller herausgesucht:

Wenn Du noch Fragen hast, schreib sie in die Kommentare unten! Dann können auch andere Leser davon profitieren! 🙂

Hat Dir der Artikel weitergeholfen?

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1 Kommentare

  1. Astrid Dreesbach sagt

    Hallo Kai, mein Galaxy S10 macht in der Live Focus Funktion wirklich tolle Bilder mit unscharfen Hintergrund. Nun hätte ich diese schnelle Funktion auch gerne in einer Digitalkamera, die in Innenräumen gegen Abend nicht in die Knie geht und trotzdem auch realistische Farben wiedergibt, sodass ich die Bilder dann auch mal größer ausdrucken kann.
    Hast du da einen Tipp?
    Also vermutlich eine lichtstarke Kompaktkamera? Sie sollte auch schnell sein, da kleine Kinder fotografiert werden sollen, die bekanntlich niemals still halten, aber eben auch ad hoc diese tolle Tiefenschärfefunktion. Und das alles auch nich bei Dämmerung?
    Gibt es da was?
    Liebe Grüße Astrid

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