Fotografie

Neue Sachen machen 01 – Auto-Fotografie

Kai

Die Wochenenden in meinem Terminkalender haben sich durch die verschobenen Hochzeiten Stück für Stück geleert. Auch unter der Woche ist so weniger zu tun. Schließlich müssen keine Hochzeitsbilder bearbeitet werden. Dadurch habe ich diesen Sommer ungewohnt viel Zeit. Und diese Zeit möchte ich auch nutzen um neue Dinge zu probieren.

Ganz oben auf der Liste stand schon länger die Auto-Fotografie. Mich reizte es den perfekten Bildern in den doppelseitigen Werbeanzeigen im Spiegel nachzueifern. Nur mit einem deutlich geringeren Budget versteht sich. Der Aufwand, der für solche Werbe-Kampagnen betrieben wird, braucht sich oft vor Hollywood-Produktionen nicht zu verstecken. Einen kleinen Eindruck davon bekommt man im Making Of-Bereich auf der Website von Frederic Schlosser.

Das Niveau, das Leute wie Marcus Sauer, Frederic Schlosser, Garrett Byrum, Aaron Brimhall, Kai-Uwe Gundlach und Matthew Jones abliefern ist ziemlich beeindruckend. So gut werden meine Bilder beim ersten Versuch natürlich nicht werden, das ist mir klar. Aber irgendwo muss man ja anfangen. Und da möchte ich euch heute mit reinnehmen.

Analyse

Wenn man etwas Neues anfängt, kann man das auf zwei Arten tun:

  1. Analysieren was andere in der Richtung schon gemacht haben
  2. Scheuklappen aufsetzen und komplett sein eigenes Ding machen

Ich bin mit der ersten Methode bis jetzt immer sehr gut gefahren, weil man so eine gute Basis bekommt. Gegen die vermeintlichen Regeln kann man später immer noch verstoßen, wenn man sie kennt.

Folgende Dinge sind mir bei der Analyse von hochwertigen kommerziellen Auto-Fotos aufgefallen:

  • Die Kamera ist bei den „Portraits“ des Autos meist auf Augenhöhe des Fahrers oder leicht darunter, auf Höhe der Seitenspiegel (Beispiel)
  • Es werden meist nur moderate Weitwinkel (z.B. 35mm KB) eingesetzt, Ultraweitwinkel verzerren das Auto zu stark und werden fast ausschließlich von Amateuren eingesetzt (Beispiel)
  • Bewegung ist logischerweise oft durch Bewegungsunschärfe dargestellt
  • Die Modelle für die jüngeren Zielgruppen bekommen reportagigere Lifestyle-Bilder (Beispiel)
  • Es geht um Werbung, daher sind die Motive oft maximal prägnant. Eine Möglichkeit dafür ist natürliches Color-Key, also etwa ein rotes Auto vor grauen Fassaden (Beispiel)
  • Das Auto füllt meist nicht das gesamte Bild aus, sondern lässt genügend Platz für Werbetext, Logos und so weiter. Ausgenommen Detailsfotos natürlich. Das hängt aber natürlich vom späteren Verwendungszweck ab. Bei einem Katalog nur für ein Modell hat man mehr Seiten zur Verfügung als bei einer Plakatwand in der Stadt.
Durch das Weitwinkel und die Nähe zum Auto wirkt es unnatürlich verzerrt. (24mm | 5D Mk IV)

Keine Blitze

Für meine ersten Versuche in der Auto-Fotografie wollte ich alles so einfach wie möglich halten. So konnte ich mich zuerst auf das Auto an sich und die Komposition konzentrieren. Deshalb habe ich komplett auf Kunstlicht verzichtet. Ein weiterer Grund war das herrliche sonnige Abendlicht, mit dem gar kein Kunstlicht nötig war.

Das Auto

In der Auto-Fotografie braucht man natürlich auch ein tolles Auto. Da mein alter Opel Astra G nicht besonders spektakulär ist, habe ich meinen Bekannten Tobi angerufen. Und der hat einen ziemlich spektakulären Käfer. Soweit ich weiß, ist der aus den 60er Jahren. Original ist daran allerdings nicht mehr viel.

Zusätzlich zum Auto benötigt man noch eine passende Location. Und da kam mein Kumpel Egon ins Spiel. Er hat uns freundlicherweise seine Scheune für das Shoot zur Verfügung gestellt. Die passt gut zu einem älteren Auto wie Tobis Käfer. Zum einen könnte sie die Schrauberwerkstatt beinhalten, andererseits schwingt dabei auch etwas vom Scheunenfund-Mythos mit. Ein wenig Storytelling und Konzept ist also schon mal dabei. Ein guter Start, wie ich finde. Aber dazu später.

Basics first

Zunächst wollte ich das Auto erst einmal allein fotografieren. Ich bin deshalb einmal herumgegangen und habe die klassischen Fotos gemacht:

3/4 – Ansicht

50mm | f4.5

Die Dreiviertel-Ansicht ist DER Klassiker unter den Autofotos und darf in keiner Serie fehlen. Warum? Man kann mit einem Blick sowohl die Seite, als auch die Front oder das Heck sehen. So bekommt man sehr leicht einen guten Eindruck vom Auto. Je nach Karosserieform kann es besser sein mehr von vorne oder mehr von der Seite zu fotografieren. Wenn man etwas mehr von der Seite fotografiert, wirkt das Auto länger. Da muss man etwas probieren, bis man die richtige Position gefunden hat. Auch ein eingedrehtes Vorderrad kann vorteilhaft aussehen.

Front

50mm | f8.0

Zur Front gibt es nicht viel zu sagen. Man muss nur höllisch aufpassen genau von vorne zu fotografieren. Ach ja, man sollte das Auto auf einem gerade Weg parken, nicht wie ich hier. Sonst ist entweder der Hintergrund schief, oder das Auto. #Anfängerfehler

Seite

Auch bei der Seite hab ich mir gleich mal einen Anfängerfehler erlaubt. Die Stoßstange darf auf keinen Fall so ein bisschen angeschnitten sein. Entweder ganz, oder gar nicht.

50mm | f6.3

Beim nächsten Bild geling es dann besser.

50mm | f6.3

Heck 3/4

Hier kann man nochmal schön sehen, was eine kleine Bewegung der Kamera für einen Unterschied in der Wirkung des Autos macht. Im ersten Bild wirkt der Käfer eher wie eine Familienkutsche – schön hoch und geräumig. Im zweiten Bild mehr wie ein agiler Sportwagen. Aber auch diese Komposition ist ein Klassiker.

50mm | f6.3
50mm | f6.3

Heck frontal

50mm | f6.3

Hier kann man noch einmal, wie bei der Front, die schiefe Auffahrt sehen. Wir hätten nochmal umparken sollen.

Details

Gerade bei so einem charaktervollen Auto wie Tobis Käfer sind die ganze kleinen Umbauten natürlich unbedingt zu fotografieren. Die machen dieses Auto speziell. Aber auch der Blick durch die Scheibe auf das Lenkrad funktioniert sehr gut. Besonders durch die nicht ganz heruntergekurbelte Seitenscheibe, die im Vordergrund das Bild gesund macht 😉

50mm | f6.3
50mm | f2.2
50mm | f2.2
50mm | f2.2

Falls das Auto keine so persönlichen Details hat, bietet es sich trotzdem an die für das Auto markanten Details festzuhalten. Bei Käfer z.B. die ikonischen runden Scheinwerfer.

50mm | f2.8

Überhaupt habe ich bei diesen „Portraits“ versucht das Bild möglichst komplett mit dem Auto zu füllen. Das ist, wie oben schon erwähnt, bei den Werbebildern nicht so. Dort wird oft mehr Platz gelassen, der später noch mit Text gefüllt oder weggeschnitten wird. Aber so habe ich mal ein gutes Gefühl für die verschiedenen Basic-Kompositionen bekommen.

Das Konzeptbild

Zum Schluss haben wir noch ein echtes Portrait aufgenommen: Von Tobi zusammen mit seinem Käfer. Das fällt wohl in die Kategorie »Environmental Portrait« oder »Arbeitsplatzportrait«, denn es zeigt den Menschen Tobi mit seinem Hobby in einem (gestellten) Bild.

Das Licht war glücklicherweise perfekt, wenn auch etwas hart. Aber das habe ich mal als Herausforderung gesehen. Durch die starken Kontraste ergab der Schatten im Inneren der Scheune einen perfekten Hintergrund sowohl für das hellblaue Auto, als auch für Tobi

Das Bild aus der Kamera | Sigma 50mm Art (Testbericht) | f4.5

In Lightroom habe ich nach langem Ausprobieren mit den VSCO-Presets dann doch wieder auf mein Standard-Preset zurückgegriffen. Das ist eine stark abgewandelte Version des VSCO Portra 800. Danach habe ich nur den Weißabgleich noch etwas angepasst, über Tobis Kopf das Scheuneninnere etwas abgedunkelt und eine Vignette hinzugefügt.

Die in Lightroom bearbeitete Version

In Photoshop habe ich dann zum Schluss noch die Spiegelungen von ein paar Kartons in der Beifahrertür wegretouchiert.

In Photoshop retuschierte Version

Das Bild gefällt mir richtig gut! Allein dafür hat sich das Shoot gelohnt.

Fazit

Sehen meine Fotos so aus, wie in den Werbeanzeigen? Kein Stück. Da muss ich noch viel mehr testen und fotografieren. Vielleicht auch noch einmal anders herangehen und zum Beispiel den Aufwand erhöhen. Habe ich trotzdem etwas gelernt? Ja! Es macht Spaß sich an ein neues Genre heranzutasten. Die Abläufe sind anders, es gibt vorher andere Sachen zu bedenken und das ist sehr erfrischend.

Im nächsten Teil schauen wir uns mal Rig-Shots an. Damit kann man Autos in der Fahrt fotografieren und diese tolle Bewegungsunschärfe hinbekommen.

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Pinterest-Bild: Erste Erfahrungen in der Auto-Fotografie
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4 Kommentare

  1. Hallo Kai, deine Analyse von hochwertigen kommerziellen Auto-Fotos hat mir sehr gut gefallen, da hatte ich noch nie drauf geachtet. Der Beitrag ist sehr gut, danke für die vielen Infos. Viele Grüße

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