Rote Lensflares sind meiner Meinung nach die schönsten Artefakte, die es bei Objektiven gibt. Deshalb mag ich Objektive mit Vergütungen aus den 70er Jahren so viel lieber als die modernen Gläser. Diese haben meist blaue, grüne oder violette Lensflares, die gerade in der Portrait-Fotografie mehr stören als wärmere Farben. Leider haben die alten Objektive, z.B. das Leica Elmarit-R 28mm F2.8, keinen Autofokus. Deshalb nutze ich aus praktischen Gründen weiterhin meine Sigma Art-Objektive.
Es gibt einige wenige moderne Objektive, die bei Gegenlicht-Situationen schöne rote Ringflares erzeugen. Zum Beispiel das Leica Summilux-M 50mm F1.4 ASPH oder das Canon EF 50mm F1.2 L. Allerdings habe ich für keines der beiden gerade Budget übrig. Deshalb bin ich vorerst dazu übergegangen solche Ringflares in Lightroom zu erzeugen.
Warum Ring-Lensflares in Lightroom erstellen?
Zuerst stellt sich aber die Frage warum man überhaupt Flares nachträglich hinzufügen sollte, wo doch alle Objektivhersteller versuchen die zu korrigieren. Nun ja, erstmal ist es eine Frage des persönlichen Geschmacks. Manche mögen Flares, andere nicht. Und ja, manchmal stören die im Bild einfach.
Aber man kann insbesondere Ring-Flares auch stilistisch einsetzen. Ähnlich wie eine Vignette steuern sie den Blick der Betrachter im Bild. Und es hat noch einen weiteren Vorteil die Flares in Lightroom zu erzeugen: So lassen sich die Intensität, Größe, Form und Position frei bestimmen.
Wie sehen echte Ring Flares aus?
Sehr schön finde ich die Flares des Mamiya Sekor C 55mm F2.8 meiner analogen Mittelformatkamera. Auf meinem winterlichen Fototrip nach Kopenhagen hatte ich es mit einem Adapter an der Canon R6 und war echt happy damit. Trotz manuellem Fokus!
Der Flare entsteht bei Offenblende und starkem Gegenlicht, das leicht verdeckt wird. Wie du siehst, gibt es nur einen sehr schmalen Flare-Ring und am linken Bildrand noch ein paar leichte rote Kreise.
So erzeugst du Ring-Lensflares in Lightroom
Kommen wir also zum eigentlichen Tutorial. Du benötigst als Grundlage ein Bild, das im Gegenlicht entstanden ist. Bonuspunkte gibt es dafür, wenn die Sonne gerade eben so um eine Ecke oder hinter einer Person hervorlugt. Das ist die Lichtsituation, in der die Flares gerne entstehen.
Schritt 1: Äußere Begrenzung des Flares
Als ersten Schritt fügst du dann einen radialen Verlaufsfilter hinzu. Das wird die äußere Begrenzung des Flares. Dafür klickst du auf das Maskensymbol, dann im Maskenfenster auf Neue Maske erstellen und anschließend auf Radialverlauf. Alternativ kannst du auch die Tastenkombination Shift + M benutzen. Dann ziehst du mit der Maus aus dem gewünschten Mittelpunkt, z.B. der Sonne, den Kreis so groß auf, wie du den Flare später im Bild haben möchtest. Wenn du dabei die Shift-Taste gedrückt hältst, bleibt der Kreis exakt rund.
Die weiche Kante dieses Kreises sollte auf einen sehr niedrigen Wert eingestellt sein, weil echte Flares meist keine exakten, aber auch keine super weichen Kanten aufweisen. Bei mir haben sich Einstellungen zwischen 3 und 5 bewährt, je nach Auflösung des Bildes.
Schritt 2: Innerer Kreis
Nun klickst du in der Masken-Palette bei deinem Radial-Filter auf die drei Punkte, die erscheinen, sobald man mit der Maus darüber geht. In dem Menü gehst du dann auf Maske schneiden mit » Radialverlauf.
Anschließend ziehst du den neuen Radialfilter von einem Punkt knapp neben dem Mittelpunkt des ersten Filters auf eine Größe die etwas größer ist, als der erste. Dann kannst du den Mittelpunkt des zweiten Filters noch näher zum anderen Mittelpunkt schieben. Im Anschluss verkleinerst du den zweiten Filter soweit, dass er minimal größer als der erste ist.
Bei mir ist beim zweiten Filter noch ein Haken gesetzt bei Umkehren. Diesen Haken musst du entfernen, dann entsteht ein Verlauf von außen nach innen. Mit dem Regler Weiche Kante des zweiten Filters kannst du einstellen wie flächig der Flare sein soll.
Schritt 3: Einstellungen des Filters
Bis jetzt hat der Filter noch nichts am Bild verändert, wir sehen nur die rote Überlagerung. Aber was macht ein echter Flare eigentlich im Bild? Als erstes färbt er das Bild rot. Daher gehst du zu dem kleinen durchkreuzten Rechteck bei Farbe in den Masken-/Filter-Einstellungen. Dort suchst du einen Rot-/Orange-Ton heraus, oder jeden anderen, den du möchtest. Ich nehme meist Werte um die 10° bei H wie »Hue« und eine Sättigung von 100%.
Dann reduziert ein Flare auch noch den Kontrast. Stelle daher den Kontrastregler erstmal auf -50. Du kannst die Werte später noch an dein Bild anpassen. Bei Belichtung stelle ich meist noch +0,5 ein, damit der Effekt etwas stärker wird.
Wenn dein Bild so dunkel ist wie meins, kannst du auch den Tiefenregler etwas hochziehen, z.B. auf +20. Falls dir der Effekt immer noch nicht stark genug ist, kannst du den Stärke-Regler hochziehen.
Schritt 4: Linearer Verlaufsfilter
Ein kompletter, runter Lens Flare ist vielleicht etwas too much. Daher blende ich gerne eine hälfte aus. Das geht ganz leicht mit einem linearen Verlaufsfilter. Dafür klickst du wieder auf die drei Punkte der Maske, dann auf Maske schneiden mit und dann auf Linearer Verlauf.
Den ziehst du dann etwa von der Mitte bis zum oberen Ende der radialen Verläufe. Damit blendest du z.B. den oberen Teil des Flares aus. Du kannst den Verlauf auch verschieben oder anders ausrichten um den Flare passend zu deinem Bild zu gestalten.
Realistisch ist es immer, wenn der Flare gegenüber der Sonne ist:
Also Sonne im oberen Teil = Flare im unteren Teil nach oben geöffnet und umgekehrt.
Optional: Weiter verfeinern mit Luminanzmaske
Beim folgenden Foto war ich als Hochzeitsfotograf in Bremen unterwegs. Und wir konnten nach dem ersten Ganz zum Buffet nochmal kurz los um ein paar letzte Sonnenstrahlen auf einer Notausgangstreppe einzufangen. Das Bild ist schon etwas älter, aber ich habe es wieder rausgeholt um mit den Flares zu experimentieren.
Mit einer Luminanzmaske kann man noch etwas mehr realistische Zufälligkeit in den Flare bringen. Dafür gehst du wieder – du ahnst es vermutlich schon – auf die drei Punkte der Maske und dann auf Maske schneiden mit » Luminanzbereich.
Nun schiebst du den Regler an der linken Seite des Farbverlaufs nach ganz rechts. Das kleine Dreieck, das unter der schwarzen Seite des Verlaufs war kommt automatisch mit nach rechts. Das ziehst du dann wieder ein wenig nach links, etwa auf ein Drittel des Verlaufs. Damit blendest du dann den Flare in den helleren Teilen des Bildes aus. Das ist zum Beispiel der helle Teil des Schleiers vor dem Himmel.
Wenn du den Effekt verstärken willst, ziehe den seitlichen Regler, nicht das Dreieck unter dem Verlauf, wieder etwas zurück nach links. Der Dreieck-Regler steuert wie sanft der Übergang von sichtbar zu unsichtbar ist. Der seitliche Regler wie viele Helligkeitsstufen komplett ausgeblendet werden.
Danach sieht das Bild so aus:
Nun nutze ich zusätzlich wieder den linearen Verlauf um den oberen Teil des Flares auszublenden.
Durch den etwas schrägen linearen Verlauf erzeugt der Flare im Bild ein optisches Gleichgewicht zum sehr dominanten weißen Schleier. Das Bild sieht so etwas gerader aus.
Lightroom Ring-Flare-Preset
Das Beste zum Schluss: Du kannst den Flare-Effekt in Lightroom als Preset speichern und ihn auf weiteren Bildern verwenden. Dann brauchst du nur die Form und die Regler etwas anpassen. Dafür brauchst du nur auf das Plus bei den Presets links klicken und dann die Haken bei Maskieren und der entsprechenden Maske setzen.
Klassische runde Lens Flares in Lightroom erstellen
Auch klassische runde Lens Flares lassen sich in Lightroom erzeugen. Dafür nimmt man Einach einen oder mehrere radiale Filter und platziert sie in diesem Fall zwischen der Sonne und dem Ringflare. Die Einstellungen kannst du dem Screenshot entnehmen.
Bei den runden Flares hilft es besonders am Ende den Stärke-Regler des Filters runterzuziehen, damit der Effekt nicht zu offensichtlich ist.
Was geht nicht?
Fünf- oder sechseckige Flares, wie sie für alte Objektive ohne abgerundete Blendenlamellen typisch sind, kannst du in Lightroom meines Wissens nicht nachahmen. Dafür ist ein Sprung zu Photoshop nötig.
Weitere Beispielbilder
Fazit
Flares sind ein tolles Gestaltungswerkzeug! Besonders durch die verschiedenen Größen und Intensitäten ist die Erstellung von Flares in Lightroom noch flexibler als echte Flares. Auch wenn echte natürlich auch cool sind.
Probiere ruhig mit verschiedenen Größen, Intensitäten und weichen Kanten herum. Du kannst auch mehrere Flares kombinieren, z.B. einmal mit geringerer Deckkraft und einem höheren Wert bei weiche Kante und einmal mit höherer Deckkraft und geringerem Wert bei weiche Kante. Falls du noch Inspiration benötigst, schau mal beim Hochzeitsfotografen Gabe McClintock vorbei, der nutzt sie regelmäßig in seinen Fotos.
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Moin Kai,
das nenne ich mal ein ausführliches Tutorial! So viele Bilder / Screenshots von den einzelnen Schritten einzubauen ist ein großer Mehrwert für dein Publikum. Vielen Dank, dass du nach wie vor so schöne und lehrreiche Inhalte präsentierst!
Mit freundlichen Grüßen
Klaus
Moin Klaus, vielen Dank für das Feedback! Freut mich sehr, dass dir die Artikel gefallen und dich weiterbringen. 😊
Weiter viel Spaß an der Fotografie!