blitzen, ohne dass es nach blitzen aussieht
Fotografie

Blitzen lernen Teil 6: Superweiches Fensterlicht

Kai

Wirklich weiches und natürliches Blitzlicht, das diffusem Fensterlicht nahe kommt, ist für mich aktuell der heilige Gral. Warum? Weil es echt schwer ist so zu blitzen, dass es nicht geblitzt aussieht. Umso mehr freue ich mich endlich ein vergleichsweise einfaches Setup gefunden zu haben, mit dem ich genau das erreichen kann.

Available Light – Der Status quo

Bevor wir aber zu den Blitzen kommen, brauchen wir erst einmal eine Referenz. Dieses Bild habe ich an der gleichen Stelle nur mit Available Light aufgenommen.

Die Fensterfront meines Studios ist rechts von der Kamera. Zwischen Michi und dem Fenster habe ich eine weiße Stellwand platziert, weil die Sonne ihn sonst direkt angeschienen hätte. Das Licht ist extrem diffus, es gibt kaum Schatten im Gesicht und auch der Lichtverlauf auf der Stirn ist sehr gleichmäßig. Das liegt daran, dass die Sonne ins Studio scheint und dann überall im Raum von den weißen Wänden und der weißen Decke reflektiert wird.

So ein Available Light-Setup funktioniert super in einem Raum mit Fenstern, wenn es draußen hell ist. Sobald das aber mal nicht der Fall ist, zum Beispiel im Winter, oder bei sehr wechselhafter Bewölkung, wird es schwer ohne Einschränkungen berechenbare Fotos zu machen. Hier kommt der Blitz ins Spiel. Mit dem kannst du dieses Licht imitieren, komplett unabhängig vom Wetter oder der Tageszeit.

Einzige Einschränkung mit meinem Setup: Du solltest weiße oder helle Decken und Wände haben. Andere Farben können ins Bild reflektieren.

Benötigtes Equipment

Das Equipment ist relativ überschaubar. Du benötigst einen per Funk oder Kabel auslösbaren Blitz und ein Stativ. Dazu den essenziellen Lichtformer, ein sehr großen Durchlichtschirm* mit Diffusortuch*.

Für mein Bild habe ich meinen Profoto D2 mit 500 Ws auf ca. Stufe 7 von 10 verwendet. Es dürfte aber mit jedem Studio- oder Aufsteckblitz funktionieren. Allerdings wird etwas Power benötigt, da könnten Aufsteckblitze an ihre Grenzen kommen.

Falsch herum

Für weiches Licht benötigt man eine große leuchtende Fläche. Das heißt entweder eine sehr große Softbox oder wie in Hollywood ein riesiges »Butterfly« bzw. »Scrim«*. Beides ist aber relativ teuer.

Da ich den großen (und deutlich günstigeren) 180cm Durchlichtschirm schon herumstehen hatte, wollte ich es erstmal mit dem versuchen. Den Aufbau hatte ich vorher bei der Kinder- und Familienfotografin Sandra Coan gesehen. Normalerweise lässt man den Blitz durch den Schirm auf das Modell leuchten. Und so wird das Licht auch weicher – allerdings nicht weich genug.

Durchlichtschirm falsch herum eingesetzt

Der Trick für das extrem weiche Licht ist dabei die unkonventionelle Nutzung des Schirms: Ich nutze ihn hier wie einen Reflexschirm, also falsch herum. Der Blitz feuert in den Schirm in Richtung Decke, der Schirm wirft aber auch etwas davon wieder zurück Richtung Michi. Und da kommt dann noch das Diffusortuch, welches das Licht noch diffuser macht. Gleichzeitig leuchtet der Blitz so natürlich in alle Richtungen. Und das ist genau das, was wir für dieses weiche Licht benötigen. So wird zusätzlich auch das Licht von der Decke, der Stellwand rechts im Bild und der weißen Wand reflektiert.

Das war dann schon ZU viel Diffusion. Daher habe ich einen schwarzen Molton-Stoff über die Stellwand geworfen um sie als Abschatter zu nutzen. Dadurch wird die rechte Gesichtshälfte im Bild ein kleines bisschen dunkler als die linke.

Vergleich mit Reflexschirm

Zusätzlich zum Durchlichtschirm habe ich auch einen silber beschichteten Reflexschirm in der Größe 180cm. Den habe ich mit dem Diffusortuch bisher gerne für Bewerbungsbilder genutzt. Durch die silberne Beschichtung wird mehr Licht reflektiert und das Licht ist trotz der Größe etwas härter, kontrastreicher. Das ist nicht unbedingt schlechter, sondern einfach anders. Beides hat seinen Platz. Mit dem silbernen Reflexschirm sieht es einfach etwas künstlicher aus.

Mit 180cm Reflexschirm und Diffusortuch fotografiert

Fazit

Der natürliche Look mit diesem Aufbau gefällt mir sehr sehr gut. Dazu passt er sehr gut zu diesem schlichten, minimalistischen Konzept, das ich umsetzen wollte, bei dem der Fokus nur auf dem Gesicht liegt. Und ich habe damit endlich einen Look gefunden, dem man nicht auf den ersten Blick ansieht, dass ein Blitz genutzt wurde. Falls du noch Fragen hast, schreib gerne einen Kommentar!

Die Serie

Weitere Tipps zum Blitzen mit einfachen Mitteln findest du in den anderen Artikeln der Serie »Blitzen lernen«:

  1. Equipment für Blitz-Anfänger:innen
  2. Der integrierte Blitz
  3. Low-Key und Kantenlicht
  4. Rembrandt-Licht und Nebel
  5. 5 einfache Looks mit einem Aufsteckblitz
  6. Superweiches Fensterlicht
  7. Food-Fotografie mit einem Blitz
  8. Weiches Licht vs. Hartes Licht

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10 Kommentare

  1. Moin Kai,

    die Idee mit dem Schirm und Diffusor, sprich die günstige Variante ist gut. Danke für den Hinweis. Ich liebe Fensterlicht, aber dazu bedarf es eines Fensters, mit dem entsprechenden Abmaßen. Leider habe ich dies in meinem Studio nicht und nutze hierzu Blitze oder fotografiere Outdoor. Die softe Variante gefällt mir gut und werde ich mal testen.

    Viele Grüße aus Lübeck
    André

    • Viel Spaß beim Ausprobieren! Vielleicht funktioniert eine große rechteckige Softbox mit doppeltem Diffusor auch, wenn du eine hast. Auch echte Vorhängevor der Lichtquelle können funktionieren

  2. Laurent sagt

    California, here we come! Super leichte Stimmung, die die Bilder transportieren … darf ich fragen, welches Stativ zu empfiehlst? Ist deins mit Galgen? Würde es gern für einen Videdreh einsetzen mit Dauerlicht. Gibts eine Empfehlung von dir? Godox?
    Danke für die Tipps und viele Grüße 🖖

    • Hey! Vielen Dank!
      Das ist das manfrotto 1004BAC, das ist super und die Größe braucht es auch bei einem größeren Studioblitz/LED-Licht.
      Mit nem Dauerlicht brauchst du für sowas echt Power, bzw ist es je nach Raumgrösse gut Power in Reserve zu haben. Das heißt 500W oder mehr. Und da wird die Auswahl schon kleiner. Aputure, Nanlite und die klassischen Kino-Anbieter wie ARRI. Da das aber auch schnell teuer wird, würde ich versuchen für den Dreh eine Lampe zu mieten.
      Vielleicht googelst du nochmal nach booklight, das wäre eine ähnliche Herangehensweise im Videobereich.
      Viel Erfolg!

      • Laurent sagt

        Super. Danke für die prompte Antwort. Finde es immer toll, wenn Profis ihr Wissen weitergeben. 😉
        Booklight ist auch spannend. Da kann man ja mit unzähligen Folien spielen. Der amerikanische Lichtdesigner erklärt das auch gut in seinem Beitrag.
        Würdest du auch im Raum mit Tageslicht bouncen? Oder Tungsten? Dazu gibts auch 1000 Meinungen … 🙂 Weil es noch weicher ist? Die neuen LED-Lampen von Aputure etc. haben satte 600 Watt.

        • Gerne! 🙂
          Ich nutze eigentlich ausschließlich Tageslicht-Lampen. Die haben meist mehr Output als eine Bicolor oder RGBWW-Lampe. Und wenn ich doch mal Tungsten haben möchte, kann ich auch eine CTO-Folie davor packen. Dann verliert man auch etwas Leistung, aber das kommt am Ende aufs gleiche raus.
          Wenn du bouncen möchtest, kannst du dafür Stoffe nehmen. Die sind vergleichsweise günstig, leicht mit z.B. Reißzwecken an Decken zu befestigen und in verschiedenen Weißtönen erhältlich. Um das Licht etwas wärmer zu machen kannst du dann sowas wie ungebleichten Nesselstoff/Musselin nehmen. Das gibt es als Meterware z.B. hier: https://amzn.to/3Nw41dx
          Ein Bettlaken tut es aber ggf. auch. Hier ist das ganz gut erklärt: https://youtu.be/ZmFsSSUSxSc

  3. Laurent sagt

    Du hast recht, Kai: Tageslicht ist sicherlich sehr vielseitig. Bei Bedarf Folie. Der Typ im Video hat eine NANLITE – Forza 500 Tageslicht im Einsatz mit Fresnel-Linse. Damit beleuchtet er auch von außen durch Fenster. Die hat schon ordentlich Power.
    Was bei den Szenen drinnen nicht ganz deutlich wird, mit welcher Lichtquellenstärke er den Stoff, den er an der ganzen Wand lang angebracht hat beleuchtet, um zu bouncen. Da sind in dem Video ja mehrere kleine nebeneinander platziert. Du weißt das sicherlich! 😉😊 Danke!!

    • Mit welcher stärker er drinnen beleuchtet weiß ich nicht. Das muss man einfach vor dem Dreh ausprobieren und Erfahrungen sammeln. An „machen“ führt da leider kein Weg vorbei 😅

  4. Laurent sagt

    Hi Kai,
    ist es mit dem „riiiisiegen“ Schirm, er super weiches Licht zaubert, auch möglich, ein Rembrandt-Light zu realisieren? Oder ist das was für kleinere Lichtquellen? Ich tue mich etwas schwer.
    Liebe Grüße
    Laurent

    • Moin Laurent, grundsätzlich sollte das gehen. Klassischerweise ist das Rembrandt-Licht etwas »härter«. Daher würde man dafür eher zu etwas kleineren Lichtformern greifen. Allerdings spricht ja überhaupt nichts dagegen einen größeren zu nehmen und das mal zu probieren. Wie ich in meinem Blog-Post zum Rembrandt-Licht schon schrieb, geht es ja hauptsächlich um das kleine helle Dreieck auf einer Wange. Mit dem weicheren Licht wird der Look etwas dezenter, weil die weicheren Schattenverläufe das Dreieck mehr verschwimmen lassen. Es könnte ein Abschatter, z.B. die schwarze Seite eines 5-in-1-Reflektors oder schwarzer Stoff, neben dem Gesicht helfen, damit der Kontrast etwas größer wird.
      Viel Spaß beim Ausprobieren!

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